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zur geschichte deutschsprachiger
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Initialzündug im World Wide Web Eine vernetzte Szene von interessierten Lesern und kooperierenden Autoren begann sich im deutschen Sprachraum vor allem in den Jahren 1994 bis 1996 parallel zur ersten Phase der rasanten Ausbreitung des World Wide Web herauszubilden. Im Netz tauchten Projekte auf von Hyperfiction-, bzw. Netzliteratur-Pionieren wie Sven Stillich, Martina Kieninger, Dirk Schröder, Hartmut Landwehr, Burkhard Schröder, Claudia Klinger, Olivia Adler, Olaf Koch, Klaus Dufke, Martin Auer, Walter Grond, Sven Sander, Norman Ohler, Reinhard Döhl, Johannes Auer sowie zahlreiche kooperative Arbeiten bzw. sogenannte Mitschreibeprojekte. Entscheidend beeinflusst und stimuliert wurde die Produktion derartiger Texte durch DIE ZEIT, die Ende 1995 und Anfang 1996 in Zusammenarbeit mit IBM, Radio Bremen und weiteren Sponsoren einen Internet-Literatur Wettbewerb(10) ausschrieb. Als Nebenprodukt dieses Wettbewerbs entwickelte sich ein reger Diskurs unter den beteiligten Autoren und Autorinnen, was zur Begründung verschiedener Diskussionsforen und kollektiver Websites führte, die sich seither spinnennetzartig ausgebreitet haben und das eigentliche Fundament der deutschsprachigen Hyperfiction-Szene bilden. Sven Stillich begründete 1996 die Mailingliste Netzliteratur(11), wohl das aktivste Diskussionsforum zum Thema Digitale Literatur in deutscher Sprache; es wird seit Anfang 1998 vom Konstanzer Dirk Schröder geführt und ist aktueller denn je mit einem durchschnittlichen In- und Output von 500 Mails pro Monat. Guido Grigat gründete 1997 den Internet-Literatur-Webring bla(12), der mit 120 angeschlossenen Websites seither viel zur weiteren Vernetzung der Netzliteratur-Gemeinde beitrug, und Oliver Gassner stellte mit [OLLI] Olivers Links zur Literatur(13) eine professionelle und sehr umfassende Website über das Literaturtreiben im Netz zusammen, die seit November 1998 kommerziell betrieben wird und mittlerweile über das gemeinsame Portal AleXana(14) mit weiteren Websites zu einer veritablen (alexandrinischen) Netzliteratur-Bibliothek ausgebaut wurde. An der erfolgreichen Verbreitung von Netzliteratur arbeiteten neben den genannten auch weitere Autorinnen und Autoren, z.B. Claudia Klinger (mit verschiedenen Mitschreibeprojekten), Jan Ulrich Hasecke, Regula Erni, Werner Stangl, Sabrina Ortmann und Enno F. Peter (Berliner Kinderzimmer) mit ausführlichen Websites, die Vernetzung und Ressourcen anbieten. Der Gebrauch des Wortes Netzliteratur für die Hypertextliteratur im deutschen Sprachraum ist denn auch bezeichnend, entstanden doch alle literarischen Experimente im und fürs Netz und nicht auf spezieller Autorensoftware wie im englischen Sprachraum, wo zahlreiche Autoren zuerst mit Hypercard experimentierten und dann das Programm Storyspace verwendeten, das die meisten auch heute noch gebrauchen. Mit der Durchführung von Kongressen wie der Hartmoderne(15) 1997 und der ambitiösen Softmoderne(16) 1997 und 1999(17), verschiedenen Veranstaltungen und Beteiligungen an Kongressen und Festivals mit verwandten Themen von Heiko Idensen, Florian Cramer, Stephan Porombka und anderen Protagonisten der Szene, den weiteren Wettbewerben von ZEIT und IBM 1997 und 1998 sowie einigen eher unglücklichen Versuchen der Kulturmagazine von ZDF(18) und ORF(19) drang allmählich Kunde vom neuen Phänomen in die Medien hinaus, wo sich (vor allem in den Feuilletons von ZEIT, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, und Neue Zürcher Zeitung) zaghaft eine Rezeption abzuzeichnen begann, die zuerst das Neue zumeist mit wenig Offenheit begrüsste und als Irrweg(20) in die Schranken wies, aber allmählich auch freundlichere Töne(21) anschlug. Gar seltsam war dabei die Rolle der ZEIT, die sich offenbar gern selbst in den Fuss schießt: Auf der einen Seite wurde die unbekannte Internet-Literatur mit Wettbewerben gefördert, was der Zeitung gestattete, gezielt um eine neue, junge Generation von Leserinnen und Lesern zu werben, auf der andern Seite wurde dem Web-Projekt nie viel Platz im Print-Produkt eingeräumt und wenn, dann oft in überaus kritischer und skeptischer Manier wie im Artikel von Christian Benne, der kurz vor der Preisverleihung 1998 erschien.
Es erstaunt nicht, dass durch dieses grundlegende Missverständnis eines neuen gesellschaftlichen und kulturellen Feldes die Allianz der kulturarrivierten ZEIT mit dem Koorganisator IBM mehrmals auseinander zu brechen drohte und schliesslich nach dem Wettbewerb 1998 unweigerlich aufgelöst werden musste. Anders die unbeteiligte Neue Zürcher Zeitung, wo bsp. Hanns-Josef Ortheil die Gelegenheit hatte, die Grenzen und Chancen der neuen Texte anhand einer fundierten Analyse des Lesens und Schreibens auszuloten. Er weist daraufhin, dass eine Vielzahl der Reflexionen über die neuen Medien und ihre künstlerischen Ausprägungen unzweifelhaft in der Buchkultur verhaftet sind. Dies verschließt vielen Kritikern die Augen vor neuen Strukturen und Paradigmenwechseln, während sich dem unvoreingenommenen Leser unbegrenzte Räume von Freiheiten öffnen und der Autor sich dabei langsam aufzulösen scheint zu Gunsten des mitarbeitenden Lesers.
Die physische Vermittlung des Virtuellen
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:: updated 10. april 2000 |
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